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Musiklegende Alfred Brendel unterrichtet
Dijatata, dijatata — man muss auch mal gegen den Strich betonen. Ja! Wieder paam–paam. Ein bisschen breiter bitte! — Und vorher nicht so unterteilen, ich bin, wo es möglich ist, für die große Linie!
Alfred Brendel
So klingt es, wenn der erfahrene Großmeister Alfred Brendel in Meisterkursen Streichquartette unterrichtet. Seitdem er sich 2008 als Pianist von der Bühne zurückgezogen hat, geht er mit Begeisterung dieser Leidenschaft nach. Wer könnte das Format der »Inselmusik« mit ihrem Streichquartett-Schwerpunkt also mehr bereichern als der »Philosoph am Klavier«?
Zwei der Ensembles — das Quatuor Hanson und das Esmé Quartet — erhalten in diesem Jahr öffentlich Unterricht bei Brendel und das Publikum wird seine wahre Freude daran haben. Der mittlerweile über 90-jährige vielseitige Musiker hat über seine großen pianistischen Erfolge hinaus auch Komposition studiert, ist Essayist und schreibt humorvoll-geistreiche Gedichte. Wenn er unterrichtet, wird diese immense Erfahrung sofort spürbar. Dabei steht immer das Werk selbst im Fokus, keine aufgestülpten Konzepte, sondern die werkeigene Individualität, die es durch die musikalische Interpretation hervorzuholen gilt. Und immer wieder geht es um das Ganze, die Zusammenhänge, den dramaturgischen Bogen, die »große Linie«.
Die Werke, denen sich Brendel mit den Ensembles widmet — späte Streichquartette von Beethoven und Schubert — sind für die Musiklegende quasi ein Heimspiel. Seine Einspielung des kompletten Beethoven’schen Klavierwerks gilt als Referenzaufnahme und Joachim Kaiser, einer der einflussreichsten deutschen Musikkritiker, kürte ihn zum bedeutendsten Schubert-Interpreten der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Das Publikum darf erleben, wie die jungen Musiker:innen Brendels Impulse in ihre Interpretationen aufnehmen und wie sich die Musik in ihrer Gestaltung entwickelt.
Brendels Hang zum Humoristisch-Essayistischen kommt in seinem »Lesebuch für Klavierliebende«, dem »A bis Z eines Pianisten« zum Ausdruck. Hieraus wird die Musiklegende am letzten Tag der »Inselmusik« vorlesen — unterstützt durch musikalische Beiträge des Festspielpreisträgers Kit Armstrong. Die Zusammenarbeit beruht auf der Mentorrolle, die Brendel für den jüngeren Pianisten in dessen Jugend einnahm. Für ihn ist Armstrong die »größte musikalische Begabung«, die ihm in seinem Leben begegnet ist — auch diese »große Linie« anderer Art wird weitergeführt.
Inselmusik
13.–15.09. Insel Rügen
Text von Lea Kollath