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Ein Wochenende im Zeichen der Natur mit Patricia Kopatchinskaja

Saftig-grüne Blätter, der Geruch von Harz, ein Rascheln im Dickicht und sonst absolute Stille. Vereinzelt zwitschert ein Vogel und der Wind streicht durch die Blätter. Dann wieder nichts: kein Straßenlärm, keine Stimmen, keine Kirchenglocken. Der Mensch mit sich allein, umgeben von der reinen Natur, weite Landschaft und Zeit zur Rückbesinnung zu den Wurzeln. Dabei zeigt sich die Erkenntnis: Der Mensch braucht die Natur zum Überleben; er ist Natur. Sie ist seine Heimat, sein Resonanzkörper. Hier entstehen Töne, die die Melodie des Lebens erklingen lassen.

Inmitten einer solchen malerischen Idylle aus grünen Wiesen, weiten Feldern und undurchdringlichen Wäldern liegt das Schloss Ulrichshusen, das sprichwörtliche »Herz der Festspiele«. Im Festspielsommer 2022 wird der scheinbar von der Zeit vergessene Ort in der Mecklenburgischen Schweiz am Wochenende vom 09.-10.07.2022 zur Bühne für den »Klangraum Wald«. Gemeinsam mit der berühmten Geigerin Patricia Kopatchinskaja verzaubert Ulrichshusen die Besucherinnen und Besucher mit einem einzigartigen Wechselspiel aus grüner Wirklichkeit und künstlich inszenierten Klangerlebnissen. Es geht dabei längst nicht nur darum, Natur und Musik zusammenzuführen, sondern eine einzigartige Symbiose im Ursprung allen Seins zu verwurzeln. Die Musik entwickelt sich zu einer Personifikation der Natur, die sie hörbar, fühlbar und vor allem verstehbar für den Menschen macht.

Doch wie finden Musik und Natur zusammen? Beide umgeben uns tagtäglich, egal wo wir uns befinden. Und wenn es der kleine Löwenzahn ist, der sich durch den Asphalt kämpft, oder das Konzert aus Autolärm und Martinshorn, das jeder Städterin und jedem Städter nur allzu bekannt ist: Die Nachhaltigkeit der Eindrücke, die diese Erlebnisse in unserem Gedächtnis fest verankert, gehört sowohl der Musik als auch der Natur an. Beide zeigen die Unendlichkeit der Dinge, die Generationen überdauern und fortleben. Umso wichtiger ist es, sie zu schützen und ihre Einzigartigkeit zu feiern — sowohl in der Natur als auch mit Musik. In diesen schnelllebigen Zeiten treten Rückbesinnung und Sehnsucht nach innerer Ruhe mehr und mehr in den Fokus. Daher stammt auch die Idee, Natur als musikalisches Thema aufzunehmen und die alltägliche Sichtweise auf das, was uns umgibt, neu zu prägen. Der Erhalt der Umwelt und ihrer Schätze erlangt dabei ein ganz neues Maß an Aktualität und Brisanz, das durch Musik neu erlebbar wird und zu Taten inspirieren kann und soll.

Im Zeichen der Natur möchte das Wochenende auf Ulrichshusen den vielseitigen Charakter des Waldes untermalen und die Distanz zwischen Natur und Kunst überbrücken. Patricia Kopatchinskaja kuratiert mit der ihr so eigenen künstlerischen Handschrift zwei Konzerte mit dem Ensemble Resonanz und bringt ihre persönliche Interpretation des Sehnsuchtsorts Natur nach Ulrichshusen. Flötistin Tabea Debus, 2019 mit dem WEMAG-Solistenpreis der Festspiele Mecklenburg-Vorpommern ausgezeichnet, entführt die Zuhörerinnen und Zuhörer gemeinsam mit Lea Rahel Bader (Viola da Gamba), Alon Sariel (Mandoline, Erzlaute) und Flóra Fábri (Cembalo) in den Zauberwald, während der Kammerchor der hmt Rostock im Schlosspark die Natur a cappella zum Klingen bringt. Das Aufeinanderprallen der beiden Interpretationen des Waldes als Kunst- und Naturraum zeigt sich einerseits in der Klanginstallation mit Enno Poppes »Wald«, die das gesamte Wochenende in der Remise individuell erlebbar sein wird und dabei die Funktion des Waldes als Rückzugsort übernimmt. Andererseits werden die musikalischen Auftritte durch geführte Spaziergänge im Naturpark Mecklenburgische Schweiz und Kummerower See ergänzt und zeigen so ein unvergleichliches Zusammenspiel von Kunst und Natur. Die Besucher und Besucherinnen können an diesen beiden Tagen nicht nur die musikalische Stimme des Waldes kennenlernen, sondern außerdem Zeugen der Morgenstimmung und des sinnlichen Erwachens der Natur bei einem Spaziergang zum Sonnenaufgang werden.

Den Abschluss findet das Wochenende in der »Musica naturalis«, in der Stargeigerin Patricia Kopatchinskaja als Leiterin gleich einer wohlgesonnenen Naturgewalt und im Zusammenspiel mit dem renommierten Ensemble Resonanz nicht nur eine beeindruckende Fusion der Epochen vom Barock bis in die Moderne kreiert, sondern die Besucherinnen und Besucher auch mit allen Sinnen über die Musik stimuliert und anregt.

Die Festspiele entführen Sie nicht nur an diesem Wochenende in den sagenumwobenen Ort Wald — so unternimmt auch das Hornquartett german hornsound in Jasnitz eine musikalische Zeitreise mit anschließendem Waldspaziergang (24.07.) und die Violinistin Mira Tujakbajewa erweckt wiederum gemeinsam mit Friederike Ziegler Waldbilder in Literatur und Musik zum Leben (14.08.).

 

Von Katharina Gläßer