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Ein Fest für die Ludwigsluster Klassik
Ein Fest für alle entdeckungsfreudigen Klassikliebhaber:innen — das ist die Ludwigsluster Klassik in der historischen Stadtkirche der vormaligen Residenzstadt. In diesem Jahr wird nun nachgeholt, was 2020 als großes Jubiläum geplant war: Erstmals seit der feierlichen Kirchenweihe 1770 kommt die Kircheneinweihungsmusik des damaligen Hofkapellmeisters Carl August Friedrich Westenholtz (1736-1789) in drei Konzerten wieder komplett zur Aufführung. Auch bei Vorträgen, Konzerteinführungen und einem Spaziergang durch den Schlosspark wird das Publikum an diesem Wochenende auf die klassische Zeit eingestimmt.
Die Stadtkirche von Ludwigslust gleicht von außen eher einem monumentalen Tempel. Auch im Innenraum unterscheidet sie sich von anderen Kirchen des protestantischen Nordostens — nicht zuletzt durch ihr riesiges 350 m² messendes Altarwandbild, das die Verkündigung der Geburt Christi an die Hirten auf dem Feld darstellt. Es wurde auf rund 1000 aneinandergelegten Papp-Platten gemalt. Die Orgel ist hinter den Wolken des Bildes verborgen und verleiht von dort den Engeln scheinbar ihre Stimme. Mit seinem hallenden Resonanzboden ist der Kirchenraum darauf ausgelegt, dass die Musik von allen Seiten auf die Besucher:innen einströmt.
Der Kirchenbauherr Herzog Friedrich (1717-1785), die Geschichte nennt ihn heute auch Friedrich den Frommen, hatte nicht allein an Architektur und Gemälden seine Freude, sondern insbesondere auch an Musik. Zwei Herzensanliegen verband er bei der feierlichen Kircheneinweihung am 4. November 1770: den einzigartigen pietistischen Kirchenbau als repräsentativen äußeren sakralen Ort und den Choral, den er als heiligen inneren Ort des Glaubens und der Verkündigung sah. Der damalige Hofkapellmeister komponierte eine elegische Musik im Kantatenstil für diesen Anlass, welche den ganzen Rat Gottes zur Erlösung der Welt bis zur Vollendung der Herrlichkeit ausdrücken sollte.
Schon der Aufbau des Werkes erinnert mit seinen drei Teilen und seinen je drei Kantaten stark an die göttliche Trinität (Vater — Sohn — Heiliger Geist). Mit dieser umfangreichen Komposition findet Westenholtz seine eigene Tonsprache. Nach einem Vierteljahrtausend ist er heute jedoch so gut wie unbekannt und wurde seither nur äußerst selten aufgeführt. Von seinem 90 Kompositionen umfassenden Gesamtwerk liegt nur eine einzige Kantate in gedruckter Form vor.
Im Laufe der letzten 40 Jahre hat der Konzertmeister der Ludwigsluster Klassik, Stefan Fischer, unablässig bisher etwa ein Drittel aller Werke von Westenholtz zu Gehör gebracht. Als Spezialist für alte Aufführungspraxis macht sich Fischer nun mit seinem riesigen Erfahrungsschatz an eines der größten kirchenmusikalischen Werke Mecklenburgs und übersetzt die Originale auf etwa 1700 Seiten in das heute gängige Notensystem.
Ein Fest für die Ludwigsluster Klassik
28.–29.07. Ludwigslust
Text von Katharina von der Heide