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Gisbert zu Knyphausen & Kai Schumacher in Greifswald
Fremd bin ich eingezogen — Fremd ziehe ich wieder aus.
heißt es im ersten Lied »Gute Nacht« von Franz Schuberts Winterreise. Aber als »Fremde« ziehen Gisbert zu Knyphausen und Kai Schumacher mit Ihrer Interpretation des Liederzyklus‘ von Schubert nicht ein. Nicht als »fremd«, sondern vielleicht als noch unbekannt kann man diese neue Herangehensweise verstehen. Wer sich also einmal mit dem Programm auseinandergesetzt hat, wird schnell erkennen, dass Gisbert zu Knyphausens und Kai Schumachers Idee des Liederzyklus‘ wohl anders, aber keineswegs lange fremd erscheint, wenn zwischendrin immer wieder die altbekannten Schubert’schen Töne erklingen.
Am 18.08. sind beide mit Band in der Greifswalder Stadthalle zu hören. Kai Schumacher, ein deutscher Pianist und Komponist, gewann den deutschsprachigen Liedermacher und Sänger Gisbert zu Knyphausen mit seiner Idee der neu arrangierten Fassung von Schuberts Lieder. Der Pianist, geboren 1979 in Baden-Baden, genoss eine klassische Musikausbildung und legt heute in seinem Repertoire besonderen Wert auf amerikanische Klaviermusik des 20. und 21. Jahrhunderts. 2013 arrangierte er erstmals Songs aus den Genres Grunge, Heavy Metal und Indie-Rock für Klavier solo. 2019 entdeckte Schumacher seine Liebe zu Techno-Musik und bindet diese seitdem gern in sein musikalisches Schaffen ein. Nach eigener Aussage war der Pianist nie Fan von den Performances klassischer Sänger:innen, weil ihm bei klassischen Interpretationen die Tiefe der Aussage von Schuberts Liedern fehlte. So suchte sich Schumacher einen starken Arrangementpartner für sein Schubert-Projekt und fand keinen geringeren als Gisbert zu Knyphausen. Dieser, geboren 1979 in Wiesbaden, veröffentlicht seit 2008 seine eigene Musik und erreichte mit seinen Songs wiederholt Chartplatzierungen.
Für ihre neue Idee wählten Schumacher und zu Knyphausen nach Ihrer Meinung die schönsten Lieder von Schubert aus, arrangierten diese neu und verpackten sie in ihrem aktuellen Programm »Lass irre Hunde heulen«, mit dem sie seit 2021 auf Tour sind. Ursprünglich nur für das Reeperbahn Festival 2020 arrangiert, gefiel das Programm so gut, dass 2021 das Album dazu erschien; und in der Tat, das Programm ist außergewöhnlich: Zu Knyphausen bringt diese in einen neuen Stil, wobei Musik der Romantik auf moderne Klänge trifft.
Der Titel für das Programm »Lass irre Hunde heulen« stammt aus dem ersten Lied »Gute Nacht« von Schubert. Schubert, einer der wichtigsten Komponisten der Romantik, schrieb trotz seines kurzen Lebens zahlreiche und vielfältige Werke. Und so ist es nicht verwunderlich, dass zu Knyphausen und Schumacher sich mit dem Liederzyklus auseinandersetzen und diese neue Adaption wirklich gelungen ist. Die ursprünglichen Texte haben sie beibehalten und die Stimmung aus den Liedern in ein neues, emotionaleres Klangbild eingefasst, während die Parallelen zwischen Liedern von Schubert und zu Knyphausen sofort erkennbar sind. Die tiefe Melancholie mit einem doch teils noch hoffnungsvollen Charakter, der schon Schuberts Lieder ausmachte, bleibt erhalten. Themen wie Liebe, Schmerz, Freundschaft, Schönheit und Rausch sind nicht nur erhalten geblieben, sondern sogar durch die raue Stimme zu Knyphausens und die Erweiterung der Instrumente zum ursprünglichen Piano mit Gesang deutlich spürbarer geworden.
Gisbert zu Knyphausen und Kai Schumacher haben sich für ihr Projekt dazu entschieden, die Originalbesetzung zu erweitern. So wird das Ganze von Streichern (zwei Violinen, eine Bratsche, ein Cello und ein Kontrabass) sowie durch eine Posaune, ein Glockenspiel, eine E-Gitarre und ein Schlagzeug vervollständigt. Dabei werden durch die Posaune, das Glockenspiel, die E-Gitarre und das Schlagzeug ganz neue Klangwelten in Schuberts Winterreise dramaturgisch dargestellt in die heutige Populärmusik eingeordnet. So stellen schon die Instrumente ein Gleichgewicht zwischen den klassischen Streichern und den Popsounds des Schlagzeuges und der E-Gitarre dar. Der neue Stil erinnert durch die raue Stimme von Gisbert zu Knyphausen ein wenig an eine Rockballade; wird dadurch doch zumindest klar, dass Gisbert zu Knyphausen ein moderner Liedermacher ist. Wer ein klassisches Konzert erwartet, hat die temperamentvolle und bewegende Musik von Gisbert zu Knyphausen noch nicht live erlebt.
Noch gibt es Karten für das Konzert am 18.08. in der Stadthalle Greifswald im Vorverkauf zu erwerben. Lassen Sie sich darauf ein, wenn Gisbert zu Knyphausen und Kai Schumacher »irre Hunde heulen« lassen und kommen Sie vorbei.
Text von Vanessa Dehns