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Ein Märchenschloss für Norddeutschland
26. Mai 1857 — endlich ist es so weit: Nach zwölf Jahren Bauzeit wird das neue Schweriner Schloss feierlich eingeweiht. Bereits seit dem 10. Jahrhundert hatten hier verschiedene Herrschaftssitze existiert. 1837 veranlasste der Herzog von Mecklenburg-Schwerin einen vollumfänglichen Umbau, im Zuge dessen sich das seinerzeit marode und veraltete Gebäude in einen Bau verwandelte, der sich an den prunkvollen Schlössern an der Loire in Frankreich orientierte. Dank der meisterlichen Vermischung von historischen Elementen und mit verschiedensten anderen Einflüssen entstand ein nahezu einzigartiger Prachtbau, der Schwerins machtpolitische Stellung als Residenzstadt in grandioser Architektur abbildete. Doch mit dem Schloss nicht genug: Das gesamte Zentrum der Stadt erhielt in jenen Tagen ein neues Gesicht, das sich in seinen Sichtachsen am Schloss orientierte. Heute gilt das Schweriner Residenzensemble als eines der Vorzeigeprojekte des romantischen Historismus und ist Anwärter auf den Welterbestatus der UNESCO, der übrigens in diesem Jahr seinen 50. Geburtstag feiert. Grund genug, der Landeshauptstadt zwei Tage voller Konzerte und Entdeckungen zu widmen (09.–10.09.).
Auf historischen Pfaden
Mehr als 30 Bestandteile der einstigen großherzoglichen Residenz können noch heute in Schwerin entdeckt und besichtigt werden. Von der herrschaftlichen Villa bis hin zur Großherzoglichen Leinen- und Bettenkammer zeigt sich in Schwerin, wie eine Residenzstadt im Zeichen der Industrialisierung, schöner und moderner wurde. Einige dieser historischen Stätten, die über die gesamte Altstadt Schwerins verteilt sind, öffnen im Rahmen des »Festes für das Welterbe« ihre Türen und werden mit Musik aus allen Epochen gefüllt.
Theater
Mittelpunkt der zweitägigen Veranstaltung bildet das dem Schloss gegenüber gelegene Mecklenburgische Staatstheater. Als das Theater 1886 erstmals seine Tore öffnete, war es eines der modernsten Häuser seiner Art. Seine Entstehung kann letztlich als Glück im Unglück verbucht werden, nachdem der Vorgängerbau abgebrannt war. Der Neubau wurde stilistisch perfekt in das Residenzensemble eingebettet. Besonderer Höhepunkt im Inneren ist die seltene Bühnenorgel von Friedrich Friese (III.), die eine Aufführung von Richard Wagners »Rheingold« in der originalen Instrumentierung möglich macht.
Schelfkirche
Wer heute vom Schloss kommend, das Theater rechts liegen lässt und am Café Prag in die Puschkinstraße abbiegt, ist auf einer der Hauptstraßen der Schweriner Altstadt gelandet. Beim Spazieren passiert man Marktplatz und Rathaus und erhält einen Postkartenblick auf den Dom. Irgendwann aber erreicht man ein ehrwürdiges Gotteshaus: die Schelfkirche als eine der wenigen heute noch erhaltenen barocken Backsteinkirchen in Norddeutschland. Bereits 1713 fertiggestellt, erfolgte ab 1853 ein Umbau der Innenausstattung. Diese neue Optik ist bis heute erlebbar — genauso wie der Ruhm der herzoglichen Familie, deren Gräber in der Gruft besichtigt werden können.
Marstallwiesen
Von der Schelfkirche weiter an den Schweriner See: Auf dem Rückweg zum Schloss kündet der großherzogliche Marstall auf der linken Seite von den Freizeitbeschäftigungen des Herzogs. Der gewaltige historische Gebäudekomplex umfasste die Reithalle und den Pferdestall sowie Räumlichkeiten für den Fuhrpark und die Bediensteten. Die heutigen Marstallwiesen wurden als Exerzierplatz für Reit und Fahrübungen mit bestem Ausblick auf den Schweriner See genutzt. 2007 fertig restauriert, dient es heute dem Ministerium für Soziales, Integration und Gleichstellung als Heimat.
Text von Isabel Schubert