Spielstätten der Festspiele

Nossentin, Kirche
Nossentin, Kirche

Nossentin, Kirche

Am Park
17214 Nossentin (bei Silz)

Der schlichte Fachwerkbau mit vorgesetzter Backsteinfassade wurde 1834 geweiht. Sein Vorgänger war im 30-jährigen Krieg zerstört worden. Die bauzeitliche Ausstattung im klassizistischen Stil ist erhalten. Ein freistehender hölzerner Glockenstuhl trägt zwei Glocken aus dem 18. und dem 19. Jahrhundert.

Wirklich bemerkenswert aber ist, dass diese Kirche überhaupt noch steht: Kurz nach der Wende erlebte der neue Pastor die Kirche als Ruine: »äußerlich verfallen; hohles Gebälk, durch das der Sturm heulte, innen feucht, nass, von Insekten zerfressen, zugestellt«. Die Aktion »Kirchen in Not« hatte für den Erhalt des Bauwerks bereits geworben – ohne Erfolg.

Die Verbindung aus bürgerschaftlichem Engagement und Zufall half weiter: 2000 wurde der Verein zum Wiederaufbau der Nossentiner Kirche gegründet. Und das Dorf, vorher eher den Verfall des Gotteshauses sehenden Auges billigend, wurde vom Willen zum Wiederaufbau erfasst. Plötzlich wollte jeder mitmachen, egal ob Christ oder nicht. Man half beim Entrümpeln, beim Schaufeln und Furnieren. Man half mit Sach- und Geldspenden. Man entwickelte eine Euphorie, die sämtliche Hindernisse übersprang, die die Einwände negierte, die Gegenstimmen, die in kleinlicher Weise sogar aus der eigenen Landeskirche kamen. Man überwand die aufkeimende Depression, als endlich über Geld gesprochen wurde und die Summen ins Unermessliche stiegen. Die endgültige Summe für den Wiederaufbau liegt mittlerweile bei 546.000.– EUR, inklusive einer Orgel aus dem süddeutschen Raum. 500.000.– EUR hat die Gemeinde bereits gesammelt, investiert und verbaut, inklusive der Orgel, die zu Ostern 2010 spielfertig war. Als »Wunder« muss man den Besuch eines neugierigen Gastes zum »Tag des offenen Denkmals« 2006 bezeichnen, der zu einem Zeitpunkt kam, als die Gemeinde etwa die Hälfte der Baukosten zusammen hatte, aber sämtliche öffentlichen Geldquellen versiegt und die idealistischen Vorstellungen am Ende zu sein schienen. Der Berliner Journalist und Unternehmer hatte eine Meldung von dieser Aktion in Nossentin gelesen, war »als Anrainer mal dort hingegangen« und ist in übertragener Bedeutung dort bis heute hängen geblieben – fasziniert von Idee und Gemeinschaftssinn, mit dem sich das Dorf dem Aufbau dieser schlichten Kirche verschrieben hat. Als Erstes spendierte er eine große Summe, dann bewegte er Hans-Dietrich Genscher dazu, die Rolle des Schirmherrn zu übernehmen und endlich stachelte er seine Freunden aus Industrie und Wirtschaft auf, sich dort, inmitten des norddeutschen Nichts, am Aufbau von etwas Sinnvollem zu beteiligen. Mehr als 200.000.– EUR nahm die Gemeinde seither ein. Für eine völlig unbekannte Kirche, ohne Bilder Alter Meister, ohne namhaften Bauherrn, ohne Fußspuren in der Geschichte – ohne irgendwelche populären Bonbons also, die normalerweise unverzichtbare Grundlage für jede noch so winzige Sponsorentätigkeit sind. Am 8. August 2010 wurde die Kirche wieder geweiht.


(unter Verwendung eines Artikels von Knut Teske / DIE WELT)

 

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